cogito Ego sum

Essen, 17. Januar 2005. Olympische Winterspiele, Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land, die Wiederwahl von Gerhard Schröder und mein erster Kindergartentag. Ja, 2006 wird ein tolles und aufregendes Jahr! Wie kümmerlich kommt dagegen das soeben begonnene Jahr daher? Ein Konföderationspokal wird ausgespielt, in Schleswig-Holstein sind Landtagswahlen, und Jan Ullrich strampelt sich wieder seine überflüssigen Pfunde bei einer Radtour durch ein Land ab, in dem man dank Fröschen und Schnecken auf der Speisekarte sowieso nichts zu sich nehmen würde.

Nein, 2005 ist nichts weiter als ein klassisches Übergangsjahr. Und so ein Übergangsjahr ist im Prinzip nicht weniger überflüssig als eine Übergangsjacke - zumindest für echte Jungs und Männer. Wir ziehen uns entweder eine dicke Jacke an oder halten die Temperaturen für Pullover-tauglich. Eine Übergangsjacke ist eine Erfindung der Bekleidungsindustrie, die auf die niedersten Beschützerinstinkte von Müttern und deren Müttern zielt und letztlich nur C&A die Kassen klingeln lässt. Einen Schnupfen holen wir uns mit oder ohne Übergangsjacke.

Glen mit Übergangs-Schreibutensilien

Fälle, in denen eine Übergangsjacke wirklich angebracht ist, sind so selten wie dauerhaftes Regenwetter auf Fuerteventura nach einer Heuschreckenplage. Womit wir bei meinem Kurzurlaub wären. Ich gehöre sicher nicht zu den Leuten, die schon direkt nach der Ankunft auf den Kanaren beim Warten auf den Koffer mit dem Meckern über den Nieselregen beginnen. Selbst nach drei Tagen rede ich mir so ein Klima immer noch mit den Worten schön, es sei doch immerhin warmer Regen. Im Nachhinein und mit Blick auf den Indischen Ozean kann ich mir zudem die Bemerkung auch nicht verkneifen, dass es immer noch besser ist, wenn das Wasser von oben kommt und nicht frontal. Nach vier Tagen habe ich dann aber doch die Hoffnung auf ein paar lauschige Stunden am Strand aufgegeben und die Übergangsjacke ausgepackt - woraufhin sich die Sonne für zwei Tage zeigte und endlich der Lichtschutzfaktor 30 zum Einsatz kam.

Zurück im Ruhrgebiet erfuhr ich dann, dass es Schnee nicht nur der Sage nach gibt. Ganze zwei Stunden hielt sich eine weiße Decke. Aber als wir den Kopf für einen Schneemann gerollt hatten, waren die unteren beiden Kugeln schon wieder weggeschmolzen. Diese lustigen kleinen Eiskristalle fallen in diesen Breitengraden offensichtlich nur noch, um die Erinnerung an einen richtigen Winter aufrecht zu erhalten. Ansonsten sprechen die Wetterfrösche nur noch davon, dass es für die Jahreszeit relativ zu warm sei.

Dabei fällt mir ein, dass 2005 doch nicht so ganz farblos daherkommt. Immerhin feiern wir volle zwölf Monate das "Einstein-Jahr", weil der gleichnamige Physiker vor hundert Jahren die Grundlagen für seine wichtigsten Erkenntnisse erdacht hat. Ganz oben steht da selbstverständlich die Relativitätstheorie. Wenn ich die Berechnungen des Nobelpreisträgers richtig verstanden habe, geht es darum, dass alles relativ ist, beziehungsweise jedes Ding seine zwei Seiten hat. Oder an einem praktischen Beispiel erklärt: selbst ein so positiver Begriff wie "positiv", kann in einem Krankenhaus oder bei einem Arzt mit Blick auf die Ergebnisse eines Blut- oder Gewebetests, relativ negative Schwingungen auslösen. Andersherum: Nach der Analyse eines Tischtennisballs, den ein Holländer meinem Papa aus dem Rücken geholt hat, war alles negativ, was wiederum sehr positiv zu bewerten ist. Und wenn mir jetzt noch einer sagt, die Welt sei trotz Übergangsjacken, Regen auf den Kanaren und Albert Einstein - inmitten meiner Selbstfindung - nicht kompliziert, dem empfehle ich die Lektüre des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Viel Spaß dabei und bis demnächst!

Glen


Formel Shakespeare

Essen, 11. Februar 2005. Papa fährt demnächst zu Studienzwecken nach Schottland. Er will die Wurzeln meines Namens entdecken und trifft sich dort mit vielen Glens, um bei tiefgründigen Gesprächen herauszufinden, was es genau mit diesem in Deutschland doch sehr selten gebräuchlichen Vornamen - laut Statistischem Bundesamt bin ich der einzige männliche deutsche Nachkomme, der 2003 so "getauft" wurde - auf sich hat. Vielleicht habe ich die ganze Geschichte aber auch nur falsch verstanden und Papa will sich einfach nur für ein paar Tage gepflegt betrinken.

Obwohl ich im Kommunikationsbereich doch schon sehr weit vorne bin, sind derartige Missverständnisse in meinem Alter einfach noch nicht gänzlich auszuschließen. Neulich hörte ich beispielsweise mit halben Ohr, wie dazu aufgerufen wurde, "den üblen Schumi" mit Sagrotan zu bekämpfen. Was hat denn der arme - und das ist nicht finanziell gemeint - Schumi getan, dass man ihn mit scharfen Chemikalien traktieren soll, schoss es mir durch den Kopf. Schließlich fährt er doch nur im Kreis herum, bewegt sich so gesehen nicht mal vom Fleck, macht also viel Lärm um Nichts und ist vermutlich gerade deshalb so populär in Deutschland. Schnell wendete ich meine Augen dem Fernseher zu und musste feststellen, dass meine Ohren einfach zwei Buchstaben überhört hatten. Tatsächlich ging es um "Schuhmief" und ich war doch sehr erleichtert, den sympathischen Wahl-Schweizer nicht vor terroristischen Giftgasanschlägen warnen zu müssen.

Glittsche

Auch meine Kollegen aus der Turngruppe sind vor falschen Schlussfolgerungen im täglichen Austausch mit ihren Eltern nicht sicher. So deutete eine vermutlich selbst sehr liebesbedürftige Mutter das Verhalten ihres Sohnes " er versucht alle möglichen Gegenstände in Steckdosen unterzubringen - damit, dass der Knirps wohl ihre Aufmerksamkeit provozieren will. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich jedoch, dass er ganz einfach suizidgefährdet ist. Seine Mutter könnte übrigens auch selbst darauf kommen, da sich ihr Sohn auch ständig von den höchsten Turngeräten auf den Boden fallen lässt. Und letzte Woche, zum Karneval, kam er als Skelett.

Ich selbst hatte übrigens meine üblichen Straßenklamotten an und hatte damit " angesichts der ansonsten durchweg kostümierten Mitturner - die perfekte Verkleidung als Außenseiter. Angesichts meiner großen Liebe zum Karneval werde ich wohl auch die kommenden Jahre bei diesem Kostüm bleiben.

Zum Schluss möchte ich mich noch bei all denjenigen bedanken, die meinen Rat aus der letzten Kolumne befolgt haben. Es müssen sehr viele gewesen sein, denn für Literaturkritiker völlig überraschend und ganz scherzfrei schaffte es das Bürgerliche Gesetzbuch kurz nach der Veröffentlichung meines Januar-Berichts bis auf Platz 5 der Spiegel-Bestsellerliste. Was mich auf die Idee brachte, es später mal als Spin Doctor zu versuchen. Vorher muss ich mich aber noch ein letztes, mich derzeit beschäftigendes Missverständnis (wenn es denn eines ist) aus dem Weg räumen. Bisher waren mir nämlich nur "gutes", "schönes" oder "schlechtes" Wetter bekannt. Neuerdings soll es aber auch "böse", "kroatische" und "kriminelle" Wetter geben. Ich werde mich diesbezüglich mal in Klausur begeben und melde mich dann im März wieder.

Es grüßt
Glen


Wir Kinder vom Bahnhof Süd

Essen, 10. März 2005. Der Winter steckt in seinen letzten Zügen und was habe ich von der vergangenen Jahreszeit fürs Leben gelernt? Soviel ist sicher: die Klimakatastrophe werde ich im nächsten Jahr nicht mehr als Argument akzeptieren, dass kein Schlitten gekauft wird. Auch wenn Kenner der meteorologischen Szene für den Schnee der letzten Wochen eine Konstellation von Hoch- und Tiefdruckgebieten verantwortlich machen, die für diese Breiten doch recht außergewöhnlich sein soll.

Sogar Glasgow war weiß, wie mir Papa berichten konnte. Er hatte sich dort " wie bereits erwähnt " mit diversen Glens getroffen, die er aber anschließend alle "als Flaschen" titulierte. Ein hartes Urteil, über das ich mir in ein paar Jahren mal ein eigenes Bild machen sollte. Vier Tage war mein Vorfahre in Schottland und es kam mir vor, als wären es Jahre gewesen. Nicht, dass ich ihn vermisst hätte. Er sah nach seiner Rückkehr einfach aus, als wäre er um Jahre gealtert. Dazu umgab ihn auch noch ein mir bisher unbekannter strenger Geruch, wozu meine Mama aber beruhigend meinte, Papa würde lediglich riechen "wie früher". Er scheint also mal bei irgendwelchen städtischen Entsorgungsunternehmen gearbeitet zu haben.

Glen im Schafspelz: Carpark Blues

Von der dunklen Vergangenheit meines Vaters kommen wir mal in die dunkle Gegenwart meiner eigenen Existenz. Es stimmt, auch ich bin meiner ersten Droge verfallen: Nutella. Mein Dealer ist die Plus-Filiale am Bahnhof Süd. Wer sich mal ganz unverdächtig in einer fiesen Drogenkaschemme umsehen will, dem empfehle ich einen Besuch in diesem Laden. Wer hingegen lieber eine ordentliche Drogenkaschemme vorzieht, der sollte sich Bens Bioladen angucken. Hier kaufen meine Eltern gerne mal ein Nutella-Substitut namens "Samba" ein. Aber genauso schnell wie Methadon-Patienten wieder auf Koks sind, bestehe ich zum Frühstück auf ein ordentliches Original-Schokobrot und schaue dann in die ökigen Gesichter meiner Joghurt-mit-Leinsamen-Banane-und-Weetabix essenden Erzeuger.

Gänzlich unökologisch werden sie dann, wenn es darum geht, "die Seele baumeln zu lassen" " wie sie es nennen. Im nächsten Monat werde ich tatsächlich schon Zwei und während andere Eltern sich jetzt Gedanken machen würden, welche qualitativ hochwertigen Spielsachen sie ihren Kindern aus diesem Anlass überreichen können, haben meine Eltern nur eins im Sinn: schnell noch mal Urlaub machen, bevor ihnen nach meinem Geburtstag die Kinderfestpreise von TUI und Konsorten noch mehr Geld aus den Taschen ziehen. Logische Konsequenz: 1 Woche Mallorca, all inclusive. Ist Essen eigentlich so schlimm, dass man ständig weg will? Ich vermeide an dieser Stelle eine ehrliche Antwort und greife erst mal zur Mundharmonika. Mir steht der Sinn nach etwas Blues. Nur noch ein Letztes: Jede Stadt hat die Plus-Filialen, die sie verdient.

Es grüßt
Glen


Exklusive Sonne
Mein Mallorca-Tagebuch


Mallorca, Ende März 2005.

Sonntag:
In Deutschland droht der Frühling. Also nix wie weg nach Mallorca! Morgens um acht ist Touchdown am Flughafen von Palma. Das Wetter wird sicher noch. Wir setzen uns in den Alltours-Bus, der auch schon 45 Minuten später Richtung Cala Ratjada abfährt. Dazwischen steigt Hera Lind immer mal ein und aus, bis sie erkannt wird. Die Frau hinter mir bittet sie um eine Widmung in ihrem Urlaubsschmöker, der zufälligerweise ein Hera-Lind-Roman ist. Hera erwidert, dass das ja wirklich ein großer Zufall sei, zumal das Buch ja ein wirklich alter Schinken sei. Der Sinn dieses Dialogs ergibt sich mir nicht. Hera erkundigt sich nach den aktuellen Daten und dem Vornamen ihres Fans, um dann laut zu schreiben: "Für Erika " Viel Spaß auf Malle!" Erika ist fast so begeistert wie Hera. Letztere steigt mit ihrem angeblich insolventen Lebensgefährten " dessen dicke Armbanduhr sicher eine Imitation ist " im 5-Sterne-Bunker "Serrano" ab. 50 Meter weiter und einen Stern tiefer liegt unser Hotel. Die direkte Sandstrandlage wäre ideal für einen Sonnen- und Badeurlaub. Das 400-Gäste-Haus beherbergt außer uns noch fünf weitere Urlauber. Bestimmt haben wir es mit einem Hotel zu tun, das einen hervorragenden Ruf genießt. Irgendwann.

Montag:
Der Nebel klebt wie Pattex an dieser Insel. Aber das Wetter wird bestimmt noch. Wir laufen zu einer kleinen Bucht. Hier ist die Gefahr nicht so groß, dass wir uns mangels Sichtweite verlaufen. An einer Strandbar hängen zwei ältere Damen rum, die zu berichten wissen, dass sie bereits seit zehn Tagen auf der Insel sind und bisher nur schönes Wetter hatten. Da käme es jetzt auf die letzten paar Tage auch nicht mehr drauf an. Eine weitere Urlauberin ergänzt diese erhebenden Worte mit einem Spruch, direkt aus dem Poesiealbum: Etwas hat man überall, alles hat man nirgends. Schlimmer sind nur noch die Saarländer, die heute neu zu den Hotelgästen dazu gestoßen sind. Sie gehören zu dieser Urlauber-Spezies, die es trotz Alkoholausschank in Plastikbechern noch schafft, Gläser kaputt zu schmeißen und die den Wert ihres All-Inclusive-Urlaubs daran messen, wie viele Eier sie zum Frühstück verdrücken können.

Glenito Corcel de Niebla y Niebla

Dienstag:
Zur Abwechslung scheint mal die Sonne. Was kann man also besseres tun, als den ganzen Tag mit dem Auto durch die Gegend zu fahren? Man könnte zum Beispiel am Strand spielen! Meine Eltern entscheiden sich fürs Auto fahren. Auf den gar nicht mal so hohen Bergen ist deutlich Schnee zu erkennen. Zurück am Hotel hat sich die Sonne dann auch schon wieder verzogen und dem scheinbar üblichen Nebel das Feld überlassen. Immerhin: Papa gewinnt die beiden Hauptpreise beim abendlichen Bingo. Für ihn könnte der Urlaub jetzt zu Ende sein.

Mittwoch:
Nebel. Zäh. Das Wetter wird bestimmt noch. Es geschehen weitere Dinge, deren Erzählung ich jedoch auf andere Tage verteile, weil so ein kurzer, knackiger Tagebucheintrag zwischendurch einfach cooler aussieht.

Donnerstag:
Endlich! Der Nebel hat sich verzogen und gibt den Blick frei auf eine geschlossene Wolkendecke. Wir machen einen Spaziergang. An einer Art Miniatur-Fischersiedlung nutze ich die Gelegenheit, stundenlang Steine ins Wasser zu werfen. Dadurch entstehen unterschiedliche Platsch-Geräusche. Wem das zu eindimensional erscheint, der sollte mal ein Buch von Hera Lind lesen. Die Autorin kommt uns mit ihrem Sozialfall joggend entgegen. In ihren Gesichtern steht die Hoffnung, dass es nicht mehr so weit ist bis zum Hotel. Außerdem scheinen sie kurz davor zu sein uns zu grüßen. Eventuell haben sie uns wieder erkannt. Jetzt haben auch Spanier Urlaub und bevölkern das Hotel. Ein etwa sechsjähriger Junge klettert aus dem hoteleigenen Hallenbad, stellt sich an den Beckenrand und strullt fröhlich in das ohnehin schon sehr warme Wasser. Stolzer als der kleine Iberer selbst ist nur noch sein Vater ob dieser Aktion. Zwei bayerische Jura-Studentinnen, die gerade noch sorglos ihre Runden drehten, murmeln was von Eigenurin-Therapie und dass sie beim nächsten Mal lieber einen richtigen Wellness-Urlaub machen.

Glen con leche

Freitag:
Der lang ersehnte Wetterwechsel ist da. Es regnet. Ich begreife allmählich Chopins Spätwerk, wenn es denn eines gibt. Wir laufen zu einem sehr schönen Sandstrand, an dem es sich bestimmt vortrefflich sonnenbaden ließe. Der Konjunktiv hat Konjunktur. Wir treffen eine Frau, die beim Essen immer am Nachbartisch sitzt. Sie berichtet, dass sie seit 18 Jahren hierher kommt, aber noch nie so ein anhaltend schlechtes Wetter erlebt hat. Das tröstet. Ich spiele Fußball mit einem britischen Jungen. Er möchte unbedingt die wichtigsten Szenen des 66er-Finales nachspielen. Ich schlage die Highlights aus dem Halbfinale 90 vor. Wir einigen uns auf das WM-Spiel Deutschland-Österreich von 1982 und sind nach einer Minute fertig. Anschließend stellen wir den D-Day nach. Gut für mich: Meine Füße bleiben trocken. Abends dann folgt Papas persönlicher D-Day. Er realisiert zu spät, dass er längst zwei Bingo-Reihen markieren konnte und muss zusehen, wie zwei Spanier den zweiten Preis kassieren. Verfluchter Gin-Tonic.

Samstag:
Wir machen einen Ausflug nach Manacor mit dem öffentlichen Nahverkehr. Als es mittags zurückgeht und der Regen gegen die Windschutzscheibe des Busses klatscht, könnte ich echt kotzen. Ich gebe dem Konjunktiv eine Pause und tue es einfach. Wir fallen auch nicht weiter auf. Nachmittags scheint tatsächlich die Sonne und man kann es im T-Shirt am Strand aushalten. Es wird Zeit, die Sachen zu packen und die Biege zu machen, bevor das Wetter hier möglicherweise konstant schön und warm wird.

Sonntag:
Als wir aufstehen, scheint die Sonne unbarmherzig in unser Zimmer. Das Wetter ist doch noch geworden. Es ist mindestens 23 Grad warm und die Liegen auf der Hotelterrasse sind bereits gut gefüllt. Uns bleiben noch zwei Stunden, bis der Bus zum Flughafen abfährt. Air Berlin bringt uns zurück nach Deutschland, wo der Frühling ins Stocken geraten ist. Das Wetter ist wie auf Mallorca " eine Insel, die demnächst wohl von der Deutschen Gesellschaft für Hautkrebs-Prävention empfohlen wird. Für Montag plant Mama eine Tortilla. Nach langer Zeit endlich mal wieder spanische Küche.


Habemus Ticheti!

Essen, 19. Mai 2005.

Weißer Rauch quoll aus Papas Personalcomputer. Doch statt der Verzweiflung ihren Lauf zu lassen, rührten sich Tränen der Freude im Gesicht des unabsteigbaren Borussen-Fans. Per elektronischer Post verkündete das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006 übergroßes Losglück. Papa hat jeweils zwei Karten für vier Spiele gewonnen. Wobei gewonnen vielleicht das falsche Wort ist, wo doch gleichzeitig 500 Euro virtuell verschwunden sind.

Und was bekomme ich? Depressionen zum 2. Geburtstag und bald darauf noch eine Bindehautentzündung. Schnell greife ich zum wiederholten Male abwechselnd zur Gitarre oder zur Mundharmonika, um meinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können. Da meine Improvisationskünste noch nicht ausreichend geschult sind und mein Repertoire an Fremdtexten noch überschaubar ist, verfalle ich in eine stundenlange "Backe, backe Kuchen"-Meditation. Am Ende geht es mir deutlich besser, weil ich eine wichtige Erkenntnis gewonnen habe: So kann das ja auch nichts werden, mit dem Standort Deutschland. Da hat man mal ein gelungenes Rezept und statt es geheim zu halten, um sich einen uneinholbaren Wettbewerbsvorsprung zu sichern, wird es als Kinderlied in alle Welt hinausposaunt.

Überrascht, aber gefasst, entnimmt Glen der Presse unter 'Vermischtes' auf Seite 7B, dass er noch gar nicht lesen kann

Noch bevor ich in der einschlägigen Literatur nachforschen kann, ob es in der Betriebswirtschaftslehre schon einen Begriff wie das "Kinderlied-Syndrom" gibt, stoße ich auch schon auf die nächste Falle im deutschen System. Dabei wird aber weniger eine taktische als vielmehr eine mentale Schwäche meiner Landsleute offenbar. In dem Kita-Gassenhauer "Guten Abend, Gute Nacht" heißt es gegen Ende:

"Morgen früh, so Gott will, wirst Du wieder geweckt"

Wir geben unser Schicksal also in anderer Leute Hände, von denen wir noch nicht einmal sicher sein können, dass es sie gibt. Alles, was wir wissen, ist, dass dieser Gott einen Stellvertreter namens Benedikt hat. Mit dieser Haltung haben wir die WM schon verloren, und Papa hat von dem Spektakel nichts weiter als die Erkenntnis, mal wieder Losglück gehabt zu haben.

Und schließlich noch ein Wort an die gottlosen Sozialdemokraten: Bevor ihr den "Heuschrecken"-Kapitalismus anprangert, kümmert euch doch mal um die Wurzeln des Übels. Verbietet " solange ihr das noch dürft - die Indoktrination der nachwachsenden Generation, die " kaum der Sprache mächtig " schon lernen muss:

Taler, Taler, du musst wandern,
von der einen Hand zur ander´n,
das ist schön, das ist schön
niemand kann den Taler seh´n.

Venceremos!
Glen


Vamos a la Planscha

Essen, 21. Juni 2005.

Der Sommer ist da! Allerdings haben wir bereits einen leistungsstarken Staubsauger und so lassen meine Eltern Herrn Sommer von Vorwerk unverrichteter Dinge vor der Türe stehen. Dafür gibt es eine neue Jahreszeit. Viele erkennen das einfach daran, dass es warm bis heiß ist, Mama hingegen daran, dass ihre Schüler testen, ob die nach unten offene Lustlosigkeitsskala tatsächlich nach unten offen ist. Für mich ist der Fall klar, wenn die Planschwanne gefüllt wird und für Papa ist der Sommer gekommen, wenn die Wäsche schneller trocken wird.

Und dann gibt es da noch die vielen tollen Open Air-Veranstaltungen. Neulich feierte der Essener Sängerkreis seinen 75. Geburtstag und über die ganze Innenstadt verteilt sangen Chöre, was das Zeug hielt. Credo des Events: Come together. Ein Motto, das die meisten Sänger und Zuhörer noch sehr gut aus ihrer amerikanischen oder britischen Kriegsgefangenschaft kannten. Den hingeschmetterten Volksweisen wurden feinsinnige und wortreiche Einleitungen vorangestellt. So wusste zum Beispiel der Leiter des Werdener Sängerbundes zu berichten, dass sein Chor aus Werden kommt und ein Bund aus Sängern sei. Doch bevor es zu informativ wurde, kam auch schon das nächste Lied: Freude am Leben - unter der Leitung von Herrn Groll, der diesen dann auch wohl hoffentlich nicht hegt. Ich hatte jedenfalls meinen Spaß und deutete zusammen mit meinen Seniorkollegen im Publikum ein entrücktes Headbanging an.

Heiß diskutiert: Chancen und Risiken der Glentechnik

Viel Freude an ihrem Dasein als fliegende Ratten haben auch unsere Gartentauben. Pünktlich um Viertel vor acht schwebt das Pärchen auf die Schaukel und tut erst mal so, als ob es den ganzen Tag noch keine Verdauung hatte. Dann wird ein bisschen geschnäbelt und schließlich setzt sich eine Taube auf die andere. Nach zwei Sekunden ist damit aber auch schon wieder Schluss. Die eine Taube guckt dann gelangweilt in die Gegend, während die andere einschläft. Papa grinst dann komisch und Mama seufzt: Ja, so ist das. Ich will nicht nachbohren und werde das später mal hinterfragen.

Wenn mir dann noch die Zeit dazu bleibt. Schließlich will mich Herr Rüttgers ja schon in drei Jahren einschulen und mir dann auch gleich eine Fremdsprache beibringen - wenn ich ihn richtig verstanden habe. Ich halte das für einen klugen Plan, bereitet es uns Nachwüchsler doch darauf vor, dass wir nach der Schullaufbahn unsere Jobs im Ausland suchen müssen. Wenn Herr Rüttgers dann allerdings immer noch Landesvater sein sollte, werde ich mich erst mal direkt bei ihm bewerben. Als Persönlicher Logopäde.

Bis demnächst!

Glen

Is' gut, Eiffelturm!
Als der Rucksack seine Unschuld verlor.


Essen, Juli/August 2005. Schon wieder eine Reise! Und da ich nun für einen Sitzplatz im Flugzeug zahlen muss, in der Bahn aber nicht, fahren wir natürlich den Großteil der Tour mit der guten alten Eisenbahn. Zeit für ein neues Reisetagebuch.

9. Juli:

Morgen soll es losgehen. Ich weiß noch gar nicht, wie ich ohne Frau G. auskommen soll. Sie wohnt unter uns und steckt mir sehr regelmäßig Süßigkeiten zu. Aber nur gesunde Sachen, wie zum Beispiel einen Lutscher in Orangenscheibenform, "weil da viele Vitamine drin sind" oder Kinderschokolade, "weil da ja nur wenig Schokolade bei und viel Milch drin ist". Meinen Eltern wollen diese Theorien nicht einleuchten. Wahrscheinlich bekomme ich die ganzen nächsten zehn Tage wieder nur Vollkornzeug zum "Naschen".



10. Juli:

Es geht früh los. Ein ICE voller Pinguine bringt uns nach Köln. Jedenfalls hat Papa die hinter uns sitzenden Fahrgäste so genannt. Mama nuschelte beim Ausstieg dagegen etwas von "peinlich" und "hoffentlich haben die Schwestern das nicht gehört". Die Familienharmonie ist durch die unüberlegte Äußerung eines Uralt-Witzes meines Vaters auf eine erste Probe gestellt worden, fügt sich aber wieder zusammen, als wir die 1. Klasse des Thalys nach Paris bestiegen haben. Ein großzügiges Platzangebot und eine dargereichte Kalte Platte tun ihr übriges. Vor der Abfahrt weist eine freundliche Stimme darauf hin, dass Kinder unter 14 Jahren bei den planmäßigen Halten in Lüttich und Brüssel nicht den Zug verlassen sollten. Komische Sitten.

Der erste Tag lässt wirklich keine Wünsche offen. Wir treffen M., der Maler, Autor und Regisseur ist, dabei jedoch recht wenig zu tun hat, an unserem Hotel. Er winkt mit Tickets für eine Seine-Rundfahrt. 90 Minuten lang schippern wir durch Paris. Ich bin vom ersten Augenblick an vom Eiffelturm gefangen. M. und meine Eltern kennen die Sehenswürdigkeiten offenbar schon und konzentrieren sich auf Baguette, Camembert und einige Flaschen Rotwein. Anschließend geht es hoch zur Sacre Ceur. An einem Abhang setze ich mich zu zwei freundlich wirkenden Marokkanern. Sie machen Fotos mit ihren Handys, lassen mich telefonieren und Musik hören. Bei ihnen fühle ich mich sicher, während M. und meine Eltern weiter oben eine neue Flasche Rotwein öffnen. Irgendwann ruft M. zum Aufbruch. Ich glaube, er ist eifersüchtig.



11. Juli:

Auf dem Boulevard ST. Germain kommt uns Fatih Akin entgegen. Er hat schon ganz andere groß herausgebracht - mich aber lasse ich nicht entdecken. Ich tue deshalb so, als ob ich schlafe. Als sich der Promi-Alarm gelegt hat, nähern wir uns einem kleinen Restaurant, das Papa von früher kennt. Sie haben ihr Essen wohl zu günstig verkauft. Jetzt ist in dem Haus eine Galerie. Papa wird sich wieder einmal seines zunehmenden Alters bewusst. Nachmittags ist der Eiffelturm - jetzt mal aus der Nähe - dran. Ist gut. Schade, dass man ihn nicht ständig umkippen und wieder aufbauen kann. Den Triumphbogen sehe ich später aus mäßiger Entfernung. Ich habe mich bis hierher gut benommen und meine Eltern verzichten daher auf eine Durchquerung des etwa 24spurigen Kreisverkehrs, der diese Sehenswürdigkeit umgibt.



12. Juli:

Langsam heißt es Abschied nehmen von der Stadt der Liebe, die momentan ganz besonders liebevoll vor allem unterirdisch von bis an die Zähne bewaffneten Soldaten bevölkert wird. Mit M. fahren wir vormittags noch zu einem Museum, in dem es angeblich ganz moderne Kunst aus Japan zu sehen gibt. Gott sei Dank ist dem nicht so. Stattdessen werden kleinkindadäquate Figuren gezeigt und einen riesigen Kinderwagenparkplatz gibt es auch. Allerdings ernten wir skeptische Blicke des Aufsichtspersonals, als wir unseren Kinderwagen dazustellen. Egal, das beste am Museum war sowieso der Blick auf den Eiffelturm. Nachmittags schauen wir zur Erholung eine Bergetappe der Tour de France in M.s, ähm, "Wohnung". Dann wird es Zeit, den Bahnhof anzusteuern. Der Schlafwagenzug wartet schon. Wir verlassen die Stadt, die bei der Olympia-Vergabe den kürzeren gezogen hat und brechen auf in eine Stadt, die bei der Olympia-Vergabe einen noch kürzeren gezogen hat.



3. Juli:

Ich wache gut erholt in einem fahrenden Hotel auf. Papa sieht hingegen ein wenig gerädert aus. Nachdem er seine Flugangst einigermaßen im Griff hat, zeigt sich jetzt eine viel schlimmere Phobie bei ihm: Zugangst. Er hat die ganze Nacht kein Auge zugekriegt. Um das herauszubekommen, haben wir also schlappe 500 Euro in diese Fahrt gesteckt. Vielleicht sollte Papa die Kohle demnächst besser in eine Therapie investieren. Ich schaue voller Eiffelturmerwartung aus dem Zugfenster. Aber viele kleine Eiffeltürme entlang der Strecke entpuppen sich als ordinäre Strommasten. Madrid empfängt uns mit 40 Grad Hitze, und das um 10 Uhr morgens. Sämtliche Sightseeingpläne werden sofort auf Eis gelegt. Die Familie hängt lieber in einer einigermaßen lauwarmen Kneipe am Hinterausgang des Teatro Espa"ol ab. Das Personal raucht merkwürdig riechende Zigaretten, zapft mit mir auf dem Arm das ein oder andere Bier und baut für mich zwischendurch Papierflugzeuge, die Dank der enormen Thermik sehr lange Strecken zurücklegen können.



14. Juli:

Es ist so heiß, dass die Hitze selbst im sonnengewohnten Spanien die erste Meldung der Hauptnachrichten ist. Um die größte Hitze zu umgehen, müsste man eigentlich von 10 Uhr morgens bis 10 Uhr abends im klimatisierten Hotelzimmer bleiben. Das macht für eine touristische Familie allerdings wenig Sinn. Wir gehen in den Retiro-Park, wo ich mit einer Französin und einer Kolumbianerin zwei Stunden lang Enten füttere. Meine Erzeuger beobachten mich dabei aus sicherer Entfernung und gehen ihrer Hauptbeschäftigung nach. Sie schwitzen.



15. Juli:

Um mir einen Gefallen zu tun, fahren meine Eltern mit mir in den Zoo. Zur Hitze kommt hier noch eine Dauerbeschallung mit grässlicher Musik dazu. So sind die Besucher nach zwei Stunden genauso bekloppt, wie die vor sich hin dösenden Tiere. Still und kühl ist es nur im Aquarium - richtig still allerdings nur, wenn nicht gerade wieder eine Schulklasse erforscht, was passiert, wenn die überall angebrachten Hinweise "Nicht mit Blitzlicht fotografieren" und "Bitte nicht an die Scheiben klopfen" ignoriert werden. Papa hat genug vom Zug fahren. Wir verlassen Madrid mit dem Mietwagen Richtung Küste. Gegen 23 Uhr halten wir irgendwo vor Granada. Als Mama die Tür unseres klimatisierten Seat öffnet, sagt uns die Hitze direkt ins Gesicht: "Hallo, da bin ich schon wieder". Ich weiß gar nicht was schlimmer ist, die Ausdünstungen meiner Eltern oder der Geruch unbehandelten Olivenöls, der hier in der Pampa beinahe alles überdeckt.



16. Juli:

Wir erreichen die Costa del Sol, in dieser Gegend - südlich von Almeria - auch Costa del Gemüse genannt. Papa hat hier sehr viele Urlaube auf einem Campingplatz gemacht, der umgeben ist von Europas größtem zusammenhängenden Obst- und Gemüseanbaugebiet. Komischerweise essen die Spanier selbst nichts von dem Zeug, das sie hier für den Export hochziehen. Möglicherweise hängt das aber mit den vielen rostenden Giftfässern zusammen, die sich an den Wegesrändern tummeln. Wir quartieren uns in einem Eisschrank ein, der "Hostal La Curva6#34; heißt. Die Klimaanlage des Hotels macht diesen Ort noch kälter als die vom Hotelzimmerfenster aus sichtbare Gipfelregion der Sierra Nevada. Umso erniedrigender ist das Wiederfühlen der Hitze, wenn man sich raus wagt.



17. Juli:

Am Strand gibt es zwei Quadratmeter Sand. Der Rest ist grober Kies bis hin auf Findling-Niveau. Zwischen den Steinen gibt es einen Haufen Plastikmüll zu entdecken. Papa liebt diesen Flecken. Ich selbst denke zwar, dass dieser Urlaubsteil nicht mit den Malediven zu vergleichen ist, kann mich aber sehr gut mit den Umständen arrangieren, da ich ja sehr gerne Steine ins Wasser werfe. Außerdem hat mein Opa Spanien eine kleine Katze, die so ziemlich alles mit sich machen lässt. Ich bin also gut beschäftigt.



18. Juli:

Um hier außerhalb der üblichen Strand-Katze-Essen-Katze-Strand-Schlafen-Schiene was zu unternehmen, müsste es etwa zehn Grad kühler sein. Da mir mit einem Konjunktiv wenig geholfen ist, bleibe ich bei Strand, Katze, Essen (inklusive Trinken) und Schlafen.

19. Juli:

Allmählich verstehe ich die Bewegungslosigkeit Andalusiens, ordne mich ihr aber nicht unter. Das wiederum, lässt meine Eltern ganz schön schlapp aussehen. Dabei gibt es sicher Dinge die anstrengender sind, als einem kleinen Jungen hinterherzulaufen. Wer schon mal versucht hat, hier eine genaue Uhrzeit in Erfahrung zu bringen, weiß, wovon ich rede.



20. Juli:

Historiker wissen: Es ist der Tag der gescheiterten Attentate. Auf dem Rückflug von Almeria nach Düsseldorf, halte ich das hinter uns sitzende alte Ehepaar aus Marokko und das vor uns sitzende junge marokkanische Pärchen mit allerlei neckischen Spielchen von bösen Gedanken ab. Man kann ja nie wissen, in diesen Zeiten. Als wir aussteigen, fühle ich mich bestätigt. Das jüngere Pärchen geht lediglich mit einem lässig über der Schulter getragenen Rucksack von Bord, interessiert sich auch nicht für das Gepäcklaufband, sondern läuft schnurstracks durch den Zollbereich nach draußen. Irgendwann wird es über diese Zeit heißen: Die Dekade, in der der Rucksack seine Unschuld verlor. Andererseits, wenn die was vorgehabt hätten, warum war die Frau dann beim zollfreien Einkauf im Flugzeug so scharf auf das Hypnotic Poison - Parfüm? Terroristen oder nicht: mit Kindern können sie es jedenfalls fundamental gut.

Opa Köln steht bereit, um uns nach Hause zu bringen. Ich freue mich noch kurz über das kleine geschenkte Auto und schlafe dann direkt ein. Als ich am nächsten Tag wach werde, regnet es bei unter 20 Grad. Ich entdecke meine hohe Affinität zu Sonne und Wärme.

Nachtrag, 22. Juli:

Papa geht mit mir in die Meyersche Buchhandlung, um die obligatorischen zwei Frei-Luftballons an der Kasse für mich abzuholen. Vor uns steht ein asiatisch aussehender Mann, der Essen wohl satt hat und sich einen Reisführer Paris zulegen möchte. Ich weise auf das Coverfoto und erkenne laut: "Eiffelturm!". Das reicht zwar nicht für einen spontanen Applaus aller Anwesenden, weckt aber doch anerkennende Blicke. Reisen bildet.

Bis demnächst!

Glen


Wanted: Dad alive!

Essen, 17. Oktober 2005.

Einen Monat ist es nun her, dass sich Deutschland verwählt hat. Und Angie und Gerd kabbelten sich ums Kanzleramt wie sonst nur Mitglieder meiner Peer-Group um die nächste Fahrt mit dem Bobby-Car. Was ist denn so schlimm an einer Kanzlerin? Seit dem Tod von Inge Meysel ist der Posten als "Mutter der Nation" schließlich vakant. Die Meysel hat ja immer so eine Giftpille mit sich im Handtäschchen rumgeschleppt - eine gute Idee, auch für die Merkel. Sie stünde damit übrigens in guter Tradition zu anderen deutschen Führern aus früheren Zeiten.

Wäre Schröder geblieben, so hätten sich für unsere National-Kicker interessante Perspektiven im Bezug auf die kommende Weltmeisterschaft eröffnet. Man stelle sich nur vor, Oliver Kahn verschießt beim Stand von 15:15 im Elfemeterschießen des Endspiels gegen Brasilien den entscheidenden Strafstoß. Da hätten die Brasilianer doch so viele Gläser Sekt öffnen können wie sie wollen. Wir hätten einfach auf unseren Kanzler verwiesen und als moralische Sieger den Pokal für uns beansprucht.

In jedem Fall ist Gerd schon jetzt ein heißer Anwärter auf die nächste Namenspatenschaft für eine neu entdeckte Käferart. Er stünde dann in einer Reihe mit seinem großen Wahl-Interpretationshelden George Bush, nach dem vor kurzem ein Schleimkäfer benannt wurde: Agathidium bushi herum. Der hält das tatsächlich für eine Ehre. Den Käfer hat man hingegen nicht gefragt. Mir persönlich wäre es ja eine größere Ehre, wenn Bayer ein neues Insektizid nach mir benennen würde. Nichts gegen Tiere an sich. Aber diese Krabbelviecher kann man nicht einmal füttern oder in den Arm nehmen. Wozu sind sie also da?

Käfer-Glen

Papa hat das auch erkannt und einen Insektenvernichter allerersten Ranges gekauft: ein Auto. Schon nach der ersten Fahrt war die Silbermetallic-Lackierung richtig schön gesprenkelt. Allerdings gab es wohl andere - im wörtlichen Sinne - Beweggründe, sich einen Fiesta zuzulegen. Papa muss nämlich jetzt jeden Tag zur Arbeit fahren. Oder vielleicht sollte man statt "Arbeit" besser sagen, er trifft sich mit anderen Lachsäcken, um Witze zu schreiben. Jedenfalls scheint es ihm zu gefallen. Ich sehe ihn kaum noch. Wenn ihn also jemand mal trifft, grüßt ihn bitte von mir.

Von der Notwendigkeit mal abgesehen, hat die nähere Verwandtschaft den Autokauf auch noch ganz anders interpretiert - als letzten Schritt unserer kleinen Familie in die Zivilisation. Zivilisation heißt also, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde im Stau zu stehen - und sei es auf der Brücke, die nahe Düsseldorf über das Neandertal führt. Wer diese Zusammenhänge für zu konstruiert hält, der sollte mal die Sketche meines Papas lesen. Aber nicht weitersagen!

Es grüßt

Glen

P.S. Ich war übrigens für die Jamaika-Koalition. Dann hätte ich später behaupten können, dass mir das Kiffen quasi in die Wiege gelegt worden sei.


Absetzung folgt

Essen, 21. Dezember 2005.

Meine Eltern preisen den Himmel dafür, dass ich noch nicht auf die Frage "Warum?" gekommen bin. Dafür belegen sie die Erfinder der Fragen "Wie", "Wo", "Was" und "Wer" mit vielerlei Flüchen. Stammleser werden sich jetzt fragen, woher ich diese gewählte Ausdrucksform her habe. Von mir. Mit sofortiger Wirkung habe ich nämlich meinen Erzeuger von seinen Aufgaben entbunden. Ich möchte nicht, dass meine Seite demnächst auch noch abgesetzt wird.

So wie die glorreiche RTL Comedy Nacht. Ein kurzes Vergnügen, zu dem Papa so geistreiche Sketche wie folgenden beisteuerte:

In der Arktis treffen sich zwei Eskimos. Der eine fragt den anderen nach seinem Befinden, worauf dieser antwortet: "Ach, scheiße. Irgend so ein Hohlzapfen hat mir meinen Schlitten geklaut". Worauf der erste Eskimo wiederum nichts besseres zu sagen weiß, als: "Das war bestimmt wieder einer von den verdammten Nordpolen."

Man mag diese Art von Humor einfach als dümmlichen Rassismus abtun oder als platte Befriedigung niederster Ressentiments. In jedem Fall ist das Werk zu Recht nicht gesendet worden. Wobei es ohnehin keiner gesehen hätte.

Winter-Glen

Immerhin reicht das mit dieser Schmiere verdiente Geld, um mir ein paar Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Hoffe ich doch. Der Dezember ist mir jedenfalls bisher der liebste Monat. Es gibt jeden Tag was Süßes aus dem Adventskalender, am 6ten kommt die schwarz-rote Koalition aus Nikolaus und Knecht Ruprecht mit ordentlich Schokolade und der Höhepunkt am 24sten steht noch aus. Ich weiß nur noch nicht, ob jetzt das Christkind oder der Weihnachtsmann kommt. Da sind sich meine Eltern nicht so ganz einig.

Normalerweise würde ich jetzt auf Fuerteventura abhängen. Aber auch das haben meine Alten verpennt. Es soll ja Menschen geben, die dieses Schmuddelwetter und die ewige Dämmerung schön finden. Ich bin dagegen froh, dass ab morgen die Tage wieder länger werden. Für mich können sie gar nicht lang genug sein. Seltsam nur, dass Mama und Papa immer häufiger so müde aus der Wäsche gucken. Nur weil sie acht Stunden mit mir diverse Verkehrssituationen mit meinen Autos nachspielen müssen und sie anschließend noch fünf Stunden meine Karaoke-Künste bewundern dürfen?

Glen Bean

Nächstes Jahr wird sich das alles ändern. Wenn ich erst mal im Kindergarten bin, worauf die ganze Familie hofft, werden meine Eltern vielleicht ein bisschen entlastet und ich kann meine Aktivitäten mit unverbrauchten jungen Menschen intensivieren. Nicht, dass meine Alten alt wären. Aber es wird mir doch immer deutlicher, dass hier zwei Generationen unter einem Dach leben, die ganz unterschiedliche Sozialisierungsphasen hinter sich haben. Oder keine. Aber ich will nicht schon wieder von meinem Vater sprechen. Kommen wir zurück zu den erfreulichen Dingen:

Ein frohes Fest und einen guten Rutsch wünscht

Glen
P.S.: Ich bin Cousin geworden!


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