kleiner Glen

Glen feddich!

Essen, 1. Mai 2003. Lange wurde spekuliert. Jetzt steht es fest: Sandra und Dirk Roß sind Eltern geworden. Und zwar von Glen. Er ist großartige 51 cm lang und leichte 3040 g schwer. Die Kacheln des Krupp-Krankenhauses Essen erblickte er am 30. April um 22.31 Uhr.

Erste Fragen nach seiner weiteren Zukunft beantwortete Glen mit einem großen Gähnen. Danach zog es ihn zur Tränke. Es scheint sich also um einen echten Roß zu handeln. Trotzdem ist er natürlich das niedlichste Kind der Welt. Die erleichterte Mutter zeigte sich nach der mit Spannung erwarteten Niederkunft mit dem Ergebnis zufrieden: "Ich habe kürzlich die Kinderfotos meines Mannes gesehen und muss sagen, dass es dafür noch recht glimpflich ausgegangen ist." Auch der Vater war nach seiner Wiederbelebung gegenüber der Presse zuversichtlich: "Wir werden das Kind schon schaukeln." Ein Wortwitz, der offenbarte, dass Vadder Dirk entgegen eigenen Aussagen wohl doch noch nicht wieder richtig bei geistigen Kräften war. Da haben wir schon besseres gehört. Schon bald wird jedoch alles wieder gut sein und Familie Roß auf große Kennenlern-Tour gehen. Karten sind ab sofort im Vorverkauf erhältlich.

Es grüßen
Glen, Sandra und Dirk


Glen im Juni


Worum es wirklich geht

Essen, 1. Juni 2003. Der Erste Monat ist geschafft. Ich kann mittlerweile Gegenstände mit meinen Augen verfolgen und meinen Kopf kann ich auch schon ein paar Sekunden selbst halten. Ein großer Entwicklungsschritt, glaubt man den einschlägigen Gazetten und Fachbüchern.

Bei meinen Ur-Großeltern habe ich mich letzte Woche vorgestellt. Wie auch bei den übrigen 20 Gästen, die zufällig anwesend waren. Es gab geile Geschenke. Danke!

Was ich so am Rande von den Nachrichten mitbekomme, steht Deutschland in jeder Hinsicht kurz vor dem Kollaps. Ich könnte mich natürlich auf den Standpunkt stellen, dass alle gesellschaftlichen Kräfte eine Teilschuld für die desaströse Situation tragen. Und folglich würde ich dazu aufrufen, dass jeder sein Scherflein zu tragen hat und anpacken muss, damit es wieder aufwärts geht! Oder, kurz gesagt: Deutschland ist besser als jetzt.

In Wirklichkeit geht es für mich jedoch ausschließlich um drei Dinge: Fressen, Kacken und Pennen. Zweiteres macht mich sogar so glücklich, dass ich dabei total süß lächle. Meine Eltern glauben dann, ich wäre ihnen freundlich gesonnen. Mal sehen, wie lange sie mir das noch abnehmen. Eigentlich lächle ich natürlich nur wegen des überwältigenden Gefühls des Loslassen-Könnens und weil ich weiß, dass mir einer der beiden relativ zeitnah eine neue Windel verpasst und mein Po bei der Gelegenheit zuerst mit Extra Virgen Nativem Olivenöl eingeschmiert und anschließend geföhnt wird. Mehr von diesen interessanten Neuigkeiten später. Die Brust ruft.

Bis demnächst!
Glen


Kultur-Glen, Juni 2003


Sodom und Gomorra

Essen, 23. Juni 2003. Der Sommer ist da, die Hüllen fallen. Ich bin ja nun wirklich nicht prüde und habe ein gesundes Körperbewusstsein. Aber was da letzte Woche abgegangen ist, war einfach zu viel. Mit sechs anderen nackigen Kindern lag ich im Hebammenladen auf dem Boden und wurde von Kopf bis Fuß durchgekitzelt. Anthroposophen nennen das Babymassage. Ich nenne das Terror. Entsprechend neue Tonlagen habe ich auf meinen Stimmbändern gefunden. Die Terroristen-Anführerin fragte meine Mama nach drei Minuten Daueralarm, ob sie nicht einen Schnuller für mich hätte. Als ob der mich hätte beruhigen können!

Viel schöner war hingegen im Glückskäfersack durch eine Fotoausstellung getragen zu werden. Letzten Samstag sind wir dafür nach Düsseldorf gefahren. Gesponsert war die Sache wohl von der Deutschen Milchwirtschaft. Jedenfalls hingen da überall Bilder von ziemlich geilen Milchtüten herum. Ich bin ja ziemlich fixiert auf zwei Anlegestellen. Aber dieser Helmut Newton, von dem die Bilder waren, muss wohl ziemlich herumgekommen sein, als er gestillt wurde.

Prinzipiell frage ich mich langsam, in welche Familie ich da reingeboren wurde. Mein Vater spielt in so einem Schmuddelstück mit, wir besuchen pornografische Ausstellungen und als ob das noch nicht reicht, kommt zum Sex noch der Suff dazu. Vor einer Woche waren wir in Leipzig. Dort spielt das Theater Fact ein Stück von Mama. Nichts gegen die Qualität des Stückes, aber ich habe während der ganzen Vorstellung geschlafen. Anschließend wurden dann Rotwein und schachtelweise Zigaretten aufgefahren, was wohl zum Theater-Kultur-Kram dazu gehört. Fehlten eigentlich nur noch szenetypische Tütchen. Aber Michel weilte bereits in Venedig. Ich hielt meine Augen weiter geschlossen vor so viel Teufelszeug. Der Teufel scheint in Leipzig übrigens so etwas wie ein Stammgast zu sein, wenn ich meine bisherigen Erfahrungen aus der deutschen Literatur Revue passieren lasse. Letztlich habe ich aber keinen Schaden genommen und Bahnfahrt und Hotel waren sogar ganz angenehm.

Es hätte mich kaum noch gewundert, wenn mich Papa auch noch zu den Konzerten von den Rolling Stones und Cuba Missouri mitgeschleift hätte. Zwischen all der Kultur darf aber natürlich die körperliche Entwicklung nicht zu kurz kommen. Und so versuche ich nun mich vom Rücken auf die Seite zu drehen. Meinen Kopf halte ich mittlerweile auch ganz gut " zumindest mal für ein paar Sekunden. Am liebsten plaudere ich allerdings mit meinen zwei Mobiles. Die antworten zwar nicht, bewegen sich dafür aber ständig im Kreis. Das ist so doof, dass ich mich jedes Mal darüber kaputtlachen könnte. Mein Humor ist offensichtlich schon ganz schön versaut. Bei den Eltern vielleicht kein Wunder. Ich nenne sie seit neuestem übrigens zärtlich Sodom und Gomorra.

Weitere dramatische Entwicklungen kündigen sich schon an. Der zweite Besuch in der Terrorgruppe zum Beispiel. Doch davon demnächst an dieser Stelle mehr.

Bis demnächst!
Glen


Globetrotter-Glen

Vor einem Jahr waren meine Eltern in Spanien...

Essen, 21. Juli 2003. Die Jugendherberge muss etwas ganz schlimmes sein " zumindest für Papa. Der meinte neulich morgens: "Als ich gestern Nacht (Anm. d. Red.: mein Papa hatte mal wieder dieses Schmuddelstück in Köln gespielt und kam entsprechend spät zur Bettruhe) ins Schlafzimmer kam, hatte ich das Gefühl in das Gruppenzimmer einer Jugendherberge zu kommen." Dabei setzte er einen Blick auf, wie er ihn sonst nur zu der Gelegenheit auspackt, wenn meine Windel nicht alles Verdaute auffangen konnte. Gleichzeitig sonderte er gemeine Grunzgeräusche ab. Das fand ich wiederum lustig. Wenn sich so ein Gruppenzimmer einer Jugendherberge anhört, muss ich da unbedingt mal hin.

Allmählich nähert sich die nicht unbedeutende 3-Monats-Marke und damit der erste Jahrestag meiner Zeugung. Zur Zeugung möchte ich lieber keine Worte verlieren. Ich würde mir sonst sehr schnell eine Abmahnung vom Deutschen Verband zur Vermeidung von Klischees einhandeln. Die Überschrift muss deshalb zu dem Thema reichen.

Statt dessen möchte ich lieber eine erste Bilanz ziehen. Auf die Positivliste würde ich auf jeden Fall die Milchversorgung, die Bereitschaft seitens meiner Eltern, mich auf den Arm zu nehmen und die mehrmals täglichen Pit Stops setzen. Manchmal scheiße ich sogar einfach nur so, weil ich Bock auf einen Windelwechsel habe. Papa legt mich dann auf den Wickeltisch und schreit: "Striptease!". Mit einem Ruck öffnet er die Knopfleiste meines Stramplers und ich lache mich schlapp. Wie angenehm dann Tücher mit frischem Kamillentee oder nativem Olivenöl sind, hatte ich ja schon an anderer Stelle erwähnt.

Auf der Negativliste weiterhin ganz oben steht die Terrorgruppe "Babymassage". Dieses esoterische Bauchgepinsel geht mir nun wirklich so was von auf die, äh, Stimmung. Und das Schlimmste kommt noch: Jetzt ist auch noch eine Krabbelgruppe in Planung. Wahrscheinlich müssen wir dann unter irgendwelchen Stacheldrähten her kriechen. Ich habe das mal in afghanischen Camps gesehen. Der Unterschied ist nur: Die Leute dort machen das aus ideologischen Gründen. Ich habe noch nicht mal eine Ahnung, was eine Ideologie ist. Warum also Krabbeln?

Womit wir beim zweiten Punkt auf der Negativliste wären: die Bauchlage. Meiner Meinung nach ist der Mensch dafür nicht geschaffen. Was meine These unterstützt? Die meisten Wasserleichen schwimmen auf dem Bauch! Letzter Punkt auf der Negativliste ist eindeutig die Friteuse. Sobald Mama irgendwas frittiertes gegessen hat, habe ich Stunden später ziemliche Magenprobleme bekommen. Gott sei Dank, haben meine Eltern dass dann auch irgendwann mal mitbekommen. Papa muss jetzt immer alleine Pommes essen gehen.

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich seit drei Wochen durchschlafe? Um neun lasse ich mich ins Bett tragen und morgens um sechs nehme ich dann ein erstes Frühstück ein, bevor ich mich noch mal für zwei, drei Stunden hinlegen lasse. Meine Eltern sind einerseits begeistert. Denn der Nebeneffekt der Geschichte ist, dass man unliebsame Gesprächspartner, besonders wenn es sich um junge Eltern handelt, ganz schnell los wird. Erst wird meinen Eltern nicht geglaubt, dann wächst sehr schnell der blanke Neid und das Gegenüber mit den rotgeränderten Augen flieht. Andererseits haben meine Eltern auch begriffen, dass mit dem Durchschlafen eine besondere Verantwortung verknüpft ist. Schließlich bin ich tagsüber so ausgeruht und fit, dass ich verdammt noch mal ein Recht darauf habe, von morgens bis abends unterhalten zu werden!

Ich muss deshalb jetzt auch Schluss machen. Die neue Rassel wartet.

Bis demnächst!
Glen


Ferien-Glen

Ich hab noch eine Windel in Berlin

Essen, 19. August 2003. Ja, es hat diesmal etwas länger gedauert. Aber es gibt einen guten Grund dafür, dass ich mich erst jetzt melde. Das beste aller Elternmagazine, "leben & erziehen", hat mein Tagebuch entdeckt und wollte eine kleine Geschichte von mir zum Thema Babymassage. "Kühe vor Karstadt" wird entweder in der Dezember- oder der Januar-Ausgabe erscheinen. Vielleicht stelle ich das Elaborat auch schon vorher hier rein. Da muss ich mal mit meinem Anwalt drüber reden.

Neben meinen publizistischen Verpflichtungen hat sich auch sonst einiges getan. Zwecks Entwicklungsstudium habe ich eine Reise nach Berlin unternommen. Ich wollte mich mal erkundigen, was mich so im lang- bis kurzfristigen Bereich erwartet " und zwar genau in dieser Reihenfolge. Am ersten Tag haben mich meine Eltern ins Büro von Jörg begleitet. So sieht es also aus, wenn man mit 31 Jahren alles erreicht hat: Ein Arbeitsplatz im Zentrum Berlins mit Panoramablick auf Gedächtniskirche, Tiergarten und Reichstag, unlimitierte Getränkevorräte " und kein Vorgesetzter weit und breit.

Am nächsten Morgen ging es dann zum dreijährigen Luca. Er spricht fließend Kroatisch und Deutsch, was in mir wieder den Wunsch wach gerufen hat, meine Eltern mögen doch aus zwei verschiedenen Ländern kommen. Aber dazu ist es wohl zu spät. Lucas Eltern wussten von einem 57jährigen Mann zu berichten, der mittels künstlicher Befruchtung seiner etwa zwanzig Jahre jüngeren Frau noch einmal Vater werden möchte. Es gibt so viele Rentner, die nichts mit ihrer Zeit anzufangen wissen. Warum also nicht ein Kind erziehen?

Bevor wir die Heimreise angetreten haben, sind wir dann noch zum Frühstück bei Nele gewesen. Nele ist eine zweijährige Lobbyisten-Tochter, die in Kürze einen Bruder erwartet. Dabei bin ich auf ein interessantes Phänomen gestoßen. Wie uns Neles Eltern glaubhaft berichteten, ist es für kleine Kinder offenbar schwierig, von sich in der ersten Person zu sprechen. Das kam dem Autor dieser Zeilen zunächst suspekt vor, macht aber doch Sinn. Wenn Gerhard Schröder von seiner Arbeit spricht, sagt er auch häufig: "Der Bundeskanzler hat dafür zu sorgen, dass...". Vielleicht will Nele eines Tages in die Politik.

Die Politik wäre auch was für mich. Ich kann mittlerweile schon sehr lange vor mich hinbrabbeln, ohne wirklich was zu sagen. Und trotzdem sind meine Eltern jedes Mal begeistert. Weniger begeistert sind sie davon, dass ich mir das Durchschlafen wieder abgewöhnt habe. Die nächtlichen Snacks haben mir doch gefehlt " vor allem in der ganz heißen Phase der Hitzewelle. Diese Klimaveränderung ist schon eine feine Sache. In Berlin hatten sie sogar schon richtige Sandstrände. Ich muss da unbedingt noch mal hin. Vielleicht sogar langfristig? Mein Papa hat jedenfalls auffällig lange in den Immobilienanzeigen des Tagesspiegels geblättert.

Jetzt geht es aber erst mal auf Jungfernfahrt. Papa und Mama haben sich gleich zwei handgefertigte Familienkutschen angeschafft " mit jeweils zwei Rädern. Wie ich die Kondition meines Schöpfers einschätze, wird es eine kurze Fahrt.

Bis demnächst!
Glen


Multioptions-Glen


Ich kann mich gar nicht entscheiden. Ist alles so schön bunt hier!

Essen, 15. September 2003. Mein lieber Schwan, in den letzten Wochen habe ich ganz schön Fahrt aufgenommen. Und zwar in jeder Beziehung. Fangen wir mit dem für jeden Leser wohl interessantesten an: meine Verdauung. Mittlerweile konzentriere ich mich auf zwei große Geschäfte pro Tag. Für die Bündchen meiner 16-Cent-Windeln bedeutet das ähnliche Verhältnisse, wie wir sie an den Elb-Deichen im vergangenen Jahr erleben durften: an manchen Stellen sickert was durch, an anderen Stellen gibt es kein Halten mehr. Das ist besonders lustig, wenn ich dabei gerade auch noch auf dem Schoß einer meiner beiden Deichgrafen sitze. Für die stellt sich immer deutlicher heraus, welch hervorragende Investition die neue Waschmaschine war.

Auch beim Spielen gibt es nur noch ein Motto: Höher " Schneller - Weiter. Am liebsten stehe ich wie ein Erdmännchen herum und warte, wie lange es meine Eltern wohl aushalten, mich dabei zu stützen. Wenn sie mich doch mal irgendwo hinlegen und mir dabei auch noch dieses komische Babytrainer-Gestell über den Kopf hängen, gibt es echt Randale. Der Weg von der "Kuscheldecke" ist nicht weit. Dank meiner ausgefeilten Kugeltechnik kann ich mich schnell " natürlich unter weiterer Nichtbeachtung der Bauchlage - vom Ort der gepflegten Langeweile entfernen und dabei gleichzeitig dieses erwähnte Holzgestell zerlegen. Da ist es doch viel interessanter, was meine Deichgrafen so treiben. Alles, was sie in die Hand nehmen, will ich auch haben. Und wo der Wille ist, ist für mich auch ein Weg, vor allem, wenn sie essen oder trinken (siehe dazu auch den frisch online gestellten Film).

Was das Durchschlafen angeht, nehme ich mir hin und wieder den Gästebucheintrag vom 31.8. zu Herzen. Manchmal gefällt es mir aber besser, mitten in der Nacht ein bisschen an meiner Rhetorik zu arbeiten und dabei das Holzmobile als rhythmische Unterstützung zu nutzen. Meinen Papa höre ich dann sagen: "Hat der auch Hunger oder will der uns einfach nur unterhalten?" Meine Mama beschwichtigt dann: "Keine Angst, der will nur spielen." Darauf wiederum Papa: "Wir sollten sein Bett demnächst mal in sein Zimmer stellen." Aber das sind bisher nur hohle Drohungen. Ich weiß genau, dass Mama Deichgraf dann erst recht nicht schlafen könnte.

Ein ganz neuer Trend ist schließlich noch das Sabbern. Mir hängt eigentlich durchgehend ein Lüllefaden aus dem Mund. Besonders intensiv wird die Geschichte, wenn ich mir eine Faust zwischen die Kiefer schiebe. Papa Deichgraf habe ich damit schon zu einem Märchen inspiriert. Ist noch nicht ganz fertig, aber es geht wohl um die verfeindeten "Lüllebroors" und "Spuckies", die um die Gunst der Wandergänse kämpfen, die sie mit in den Süden nehmen sollen. Bin sehr gespannt. Früher soll er ja ganz lustige Geschichten geschrieben haben.

Die nächsten Geschichten, die ich an dieser Stelle erzähle, kommen vielleicht aus Spanien. Eigentlich war es schon abgemachte Sache, dass ich Papa Deichgraf in zwei Wochen nach Galizien begleite. Aber es gibt wohl doch noch intensive Beratungen ob eine Reise diesen Formats " noch dazu mit vagabundierenden Musikern " das Richtige für mich ist. Lassen wir uns mal überraschen.

Bis demnächst!
Glen



Souvenir de Espa"a: Obstipation

Essen, 20. Oktober 2003. ¡Buenas tardes! Die erste große Urlaubsreise liegt hinter mir. Mit den Folgen kämpfe ich noch. Das unter Ärzten gehandelte Zauberwort heißt Obstipation und beschreibt ganz allgemein Verstopfungen, die zu einer Kack-Frequenz von unter drei Mal die Woche führen. Mir persönlich macht das wenig aus. Für meine Eltern scheint es dagegen schon sehr wichtig zu sein, was hinten raus kommt. Meistens sind das zur Zeit leider nur Fürze, deren Geruch an unseren ersten Spaziergang in Spanien, vorbei an einer kleinen Entsorgungsverbindung von einem Hotel zum Meer erinnern.

Papa und Mama sind aber auch selbst schuld. Weil sie jeden Tag ihr Menú del Día einigermaßen in Ruhe genießen wollten, bekam ich von ihnen immer ein kleines Stück Brotkruste in die Hand gedrückt, auf dem ich dann nach Herzenslust herumlüllen durfte. Dabei ist natürlich immer auch was von dem Zeug in meinem sonst nur beste Muttermilch gewöhnten Magen gelangt. Vielleicht war das der Grund für die Obstipation. Vielleicht stellt sich mein Körper aber auch nur weise vorausschauend auf die nahe Zeit des Abstillens ein.

Was gibt es sonst noch schönes über Spanien zu erzählen? Die Leute dort sehen etwas anders aus. Aber sie sprechen meine Sprache. Viele Vokale, notdürftig mit einigen S- und R-Lauten zusammengehalten, das ist Musik für meine Ohren. Das Wetter war ungefähr genau so, wie ich es aus Essen gewohnt bin. Nur eines war für mich neu: Es gibt Regen. In Vigo manchmal sogar 36 Stunden am Stück. Nach den ersten zwei Tagen war das aber wieder vorbei und es gab die übliche Sonne-mit-25-Grad-Langeweile. Da lob ich mir doch, dass ich " zurück in der Heimat " jetzt endlich Handschuhe anziehen muss, wenn mich meine Eltern durch den Laub schieben.

Glenitito
Warum waren wir eigentlich in Vigo? Das mag sich so mancher verirrter Tourist auch schon gefragt haben. Ganz in der Nähe soll Kolumbus nach seiner ersten Amerikafahrt erstmals wieder europäischen Boden betreten haben. Außerdem gibt es den sechstgrößten Fischereihafen der Welt, kümmerliche Reste einer Altstadt, deren Innenräume sich heute viele Frauen teilen und die meist rot beleuchtet sind, und ein sehr hässliches Rathaus. Papa hat uns nach Vigo geschleppt, weil er die kommende deutsche Indie-Rockgruppe cuba missouri auf ihrer ersten Spanien-Tournee gefilmt hat. Von der Musik habe ich nicht viel mitbekommen, aber Tischtennis können die Rocker ruhig noch ein bisschen üben. Pokern übrigens auch.

Die Leute " auch die zugereisten - sind durchweg nett in Galizien. Da freut man sich noch, wenn ein kleines süßes Kind von seinen Eltern durch die Stadt geschleppt wird. Gestern war ich auf einem Spaziergang zum Baldeneysee und die Familien, die uns hier so entgegen kamen, guckten mich alle mit einem Gesicht an, als wollten sie sagen: Das wird noch böse enden. Aquí Alemania . Es soll ja Menschen geben " meist sind es weibliche - die nicht so gerne in Spanien sind, weil es dort manchmal etwas unorganisiert zugeht, das Essen anders schmeckt oder andere Gerüche die empfindliche Nase kitzeln. Genau deshalb werde ich wohl noch öfter nach Spanien fahren. Da könnt Ihr einen drauf lassen! Ich später vielleicht auch.

¡Hasta luego!
Glen

PS: Danke für die netten Gästebucheinträge. Weiter so! Und einen schönen Gruß an das neue Mitglied meiner Peer Group, Thorben Fabian! Wir sehen uns!


Nachricht aus dem Essen

Essen, 12.11.2003. Es isst soweit. Seit gut zehn Tagen nehme ich feste Nahrung zu mir. Oder sagen wir besser "Matsche aus Kürbis an pürierten Kartoffeln". Die aufmerksamen Stammleser werden sich jetzt angesichts der Meldungen der letzten Monate fragen: Wie wirkt sich das auf seine Verdauung aus? Kein Problem! Wenn hier einer die Nase rümpft, dann sind das meine Eltern. Papa kann beim Naserümpfen allerdings manchmal einen gewissen Stolz nicht verbergen. Sein ganzer Gesichtsausdruck sagt dann: "Riecht Ihr diesen Pup? Das ist mein Sohn!"

Klecker-Glen

Ein halbes Jahr Frischluft habe ich jetzt hinter mir. Und es gefällt mir von Tag zu Tag besser " wenn man mich weiterhin trägt. Was ich hingegen extrem langweilig finde, ist stundenlang im Kinderwagen durch die Gegend gefahren zu werden. Da ich weiß, dass so eine Tour länger dauert, fange ich vorsichtshalber schon nach fünf bis zehn Minuten an, meinen Protest zu äußern. In Dezibel ausgedrückt, kann man diese Wortmeldungen etwa mit der Startbahn des Düsseldorfer Flughafens vergleichen. Papa fängt dann ganz schön an zu schwitzen und zwei von drei Passanten in einem Umkreis von einem Kilometer greifen zum Handy und wählen eine dreistellige Telefonnummer.

Zurück im trauten Heim, drückt mich Papa dann Mama mit den Worten in die Hand: "Ich will ihn heute nicht mehr sehen". Nicht gerade nervenstark, der Mann. Ich krieg ihn dann aber doch wieder rum. Ganz beiläufig brabbel ich so etwas wie "papapappapa" oder auch "pap pap pap papapapa". Für mich ist das nur eine bessere
Sprechübung. Für meinen Erzeuger ist es der Himmel. Also tue ich ihm den Gefallen und spreche ihm sogar manchmal diese elektrisierenden Silben nach.

Wenn ich entgegen meiner eigenen Tagesplanung ein Mittagsschläfchen halten soll, tritt Plan B in Kraft. Dann heißt es "mamamamama". In Verbindung mit einem Schluchzen, das so viel bedeutet wie "Dann könnt ihr mich auch gleich in die nächste Babyklappe legen", erziele ich die besten Ergebnisse. Der Rekord steht bei sieben Sekunden, vom ersten "mama" bis zum schlafsackbefreiten Getragenwerden auf Mamas Arm. Das Leben kann so schön sein.

Demnächst an dieser Stelle:

Geschockte Großmütter: Das erste Weihnachten naht " und ich mach mich aus dem Staub.

und

Fuerteventura " nicht nur in der Windel!

Bis dann!

Glen


PS: Heute ist die neue " leben&erziehen " mit meinem Artikel zum Thema "Babymassage" erschienen. Meine erste offizielle Veröffentlichung! Den Text "Kühe vor Karstadt" gibt es hier zur freundlichen Kenntnisnahme. Im Heft (12/2003, für 1,99 Euro im gut sortierten Zeitschriftenhandel) heißt die Geschichte "Babymassage? Nein Danke!".


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grosser Glen als Starschnitt (1,7 MB)


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